Allgemein 1. April 2025

Das AUS-Zeit-Haus – ein Ort für Ruhe, Klarheit und Zuflucht

von Sören Lingenberg, Martina Müller

Segensgottesdienst der Evangelischen Militärseelsorge für die Bundeswehr mit Inbetriebnahme eines AUS-Zeit-Hauses an der Nordseeküste zur Unterstützung berufstraumatisierter Soldatinnen und Soldaten, ihrer Familien und begleitenden Fachkräfte in besonderen Lebenssituationen. 

„Hier zu Hause brennt es! Ich knall durch. Ich muss weg. Sonst passiert noch was. Lange halte ich es nicht mehr aus und ich weiß, dass ich dann für nichts mehr garantieren kann. Ich muss meine Familie vor mir selber schützen. Ich weiß aber nicht, wie. Ich kann doch nirgends hin. Haben Sie eine Idee?“

Diese und ähnlich klingende Aussagen hören viele der psychosozialen Fachkräfte, die berufstraumatisierte Menschen professionell eng begleiten. Sören Lingenberg – der Begründer des AUS-Zeit-Hauses – ist einer von ihnen. Seit über 10 Jahren arbeitet er als Freiberufler in der traumasensiblen Beratung mit betroffenen Familien beispielsweise aus dem Einsatzkräftebereich (überwiegend Militär) oder auch aus der Verkehrs- und Logistikbranche. Wie viele andere Fachkräfte erlebt er immer wieder, dass die besondere Krankheitsdynamik zu verschärften Konflikten und extremen Stresssituationen im Lebensalltag betroffener Familien führt. 

Warum gibt es das AUS-Zeit-Haus?

Auch wenn Soldatinnen und Soldaten mit Traumafolgestörungen fachärztlich und therapeutisch gut versorgt sind, ist zu beobachten, dass Alltagskrisen in Verbindung mit krankheitsbedingten Symptomen manchmal so stark eskalieren, dass sie sich zu Notlagen mit Selbst- und Fremdgefährdungsaspekten in der Familie entwickeln. Nicht immer können die begleitenden Profis dann direkt und unmittelbar helfen, denn sie sind in der Regel nicht für Kriseninterventionen, sondern für eine terminlich geplante Unterstützung in den Familien eingesetzt. Greifen zuvor miteinander erarbeitete Pläne zur Krisenregulation situationsbedingt nicht und ist die Eskalationsspirale nicht zu stoppen, bleibt den Angehörigen irgendwann nur noch die Option, einen Notruf abzusetzen, um von außen unterstützt zu werden. Die Folge: das Erleben neuer Extreme wie Fremdeinweisungen in geschlossene Abteilungen der Psychiatrie bis hin zu SEK-Einsätzen im eigenen Wohnzimmer. 

Die Eskalation wird hierdurch natürlich temporär gestoppt – das Erleben und Miterleben von Fremdbestimmung und Handlungen mit Zwangsausübung hinterlässt in den Familien aber deutliche Spuren. Neben der jeweils unterschiedlich erlebten emotionalen Belastung auf individueller, partnerschaftlicher und familiärer Ebene erhöht sich automatisch das Risiko für die Verstärkung bestehender Traumadynamiken, das Risiko für Sekundärtraumatisierungen von Angehörigen und das Risiko für die Ausbildung von neuen Primärtraumatisierungen, insbesondere bei schutzbedürftigen Kindern.   

Für wen ist das AUS-Zeit-Haus?

Mit dem neuen AUS-Zeit-Haus, das am 30.01.2025 durch Herrn Pfarrer i.R., Christian Fischer, und Herrn Militärdekan Karsten Wächter (Leiter des Arbeitsfeldes Seelsorge für an Einsatz- und Dienstfolgen leidenden Menschen (ASEM)) im Evangelischen Kirchenamt für die Bundeswehr, mit einem Segensgottesdienst  feierlich eröffnet und eingesegnet wurde, hat Sören Lingenberg ein niederschwelliges Angebot erschaffen, welches Betroffenen und ihren Familien ab sofort als Schutz- und Erholungsraum zur Verfügung steht. Das Haus kann sowohl von den traumatisierten Menschen selbst als auch von ihren Angehörigen aufgesucht werden. Es ist bei freier Verfügbarkeit zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichbar und ermöglicht so, Konfliktdynamiken durch die kurzfristige Schaffung räumlicher Distanz selbstbestimmt zu unterbrechen. Das Angebot dient zur Unterstützung der Bereiche Gewaltschutz und Gewaltprävention, trägt zum Erhalt des Familienfriedens und des Kinderschutzes bei, entlastet die Menschen im Geschäftsbereich des BMVg in Notsituationen und versteht sich als temporäres Ergänzungsangebot für mittel- und langfristig angelegte Therapie- und Beratungsprozesse betroffener Familien. Fachkräften wird es als Werkzeug für ihren Interventionskoffer zur Verfügung gestellt. 

Gruppenbild von der Einsegnung des Hauses
001 – Einsegnung des AUS-Zeit-Hauses unter Beteiligung von Vertretern der Evangelischen Militärseelsorge, Vertretern der Bundeswehr, Vertretern betroffener Familien, Vertretern des RC Köln-Airport, Vertretern unterschiedlicher Netzwerkpartner und Vertretern der Dorfgemeinschaft

Wie finde ich das AUS-Zeit-Haus?

Konzeptionell ist das Angebot des AUS-Zeit Hauses zur Entschärfung von Krisensituationen übrigens auch mit der Idee für einen zweiten Nutzungsbereich verbunden. Das Haus steht Fachkräften und betroffenen Familien auch für strukturell und systemisch aufgestellte Angebote im Bereich der sekundären Präventionsarbeit bei Stress, Burn-Out, Depressionen und/oder anderen Traumafolgestörungen zur Verfügung. Bei Bedarf kann es beispielsweise als Unterkunft für zeitlich intensive Beratungsangebote von betroffenen Menschen, ihren Angehörigen und begleitenden Helfern gemeinsam oder auch als Treffpunkt für Selbsthilfegruppen aus diesem Bereich genutzt werden.       

Der Zugang zum AUS-Zeit-Haus ist nicht offen im Internet zu finden, sondern wird über die Fachkräfteebene gestreut und gesteuert. Menschen, die freiberuflich, therapeutisch, fachärztlich oder psychosozial mit betroffenen Familien arbeiten, werden über den Zweck des AUS-Zeit-Hauses informiert und gebeten, das Angebot an die von ihnen betreuten Familien heranzuführen. 

Aussenansicht vom AUS-Zeit-Haus
005 – Außenansicht des AUS-Zeit-Hauses (Sommer)

Im nächsten Projektschritt wird nun das nötige Informationsmaterial sowie das genaue Buchungs- und Abrechnungsprozedere erarbeitet. Dies geschieht in Kooperation mit der gemeinnützigen amitumKids gUG (www.amitumkids.de), welche Angebote für Kinder berufstraumatisierter Menschen organisiert und ein hohes Interesse an der Ausweitung von präventiven Maßnahmen zum Erhalt des Kinderschutzes in betroffenen Familien hegt. Weitere Spenden für die Umsetzung dieses Projekts werden in Zukunft dankend entgegengenommen. 

Sie haben Interesse? Dann schreiben Sie uns gerne an unter: m.mueller@amitumkids.de 

Copyright Bilder: Titelbild und 001 – 004: Bundeswehr / Winkel, 005 – 006: Sören Lingenberg

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