Am 11.09.2021 war Veteranenkultur e. V. zu Gast in Frethun Frankreich. Zum 9. Male fand die internationale Gedenkveranstaltung am NATO-Memorial statt, der Volksbund berichtete durch Herrn Marcel Kolb darüber. Am Rande der Veranstaltung konnten wir mit dem Initiator des NATO-Memorials und Präsidenten der Fédération du Mémorial de l’Otan Willy Breton ein Interview durchführen. An dieser Stelle nochmals ein herzliches Dankeschön für die freundliche und warmherzige Aufnahme.
Vorsicht, Inhalte des Interviews können Triggermomente auslösen
Herr Breton, welche Aufgaben und Erfahrungen bewegten Sie dazu, das NATO-Memorial in Frethun zu errichten?
Während meiner Dienstzeit als Gendarm nahm ich an drei Auslandseinsätzen teil, alle liefen unter einem NATO-Mandat. 1997 war ich in Mostar/Bosnien stationiert, wo wir gemeinsam mit Italienern, Spaniern, Franzosen und einem deutschen Feldjäger die internationale Kompanie der Militärpolizei aufbauten. Von 2003 bis 2004 war ich in Pristina/Kosovo bei der MSU (Multinational Specialized Unit) unter italienischer Führung eingesetzt. Ab Dezember 2009 bis Juni 2010 wurde ich nach Kabul in Afghanistan als Sicherheitsbeamter entsendet. Als Gendarm war ich für die gerichtlichen, militärischen und behördlichen Ermittlungen zuständig. Des Weiteren war ich für den Schutz der Streitkräfte, Geheimdienste und die Ermittlungen im Zusammenhang mit Terrorismus eingesetzt. In letzteren Fällen habe ich sehr eng mit den befreundeten Nationen zusammengearbeitet.
Zu den schmerzhaftesten Aufgaben in Afghanistan zählte die Vorbereitung der gefallenen französischen Soldaten für den Rücktransport (von der Identifizierung bis zur Übergabe). In dieser Zeit fielen der Hauptgefreite Luc Janzen aus den Niederlanden und Hauptmann Christophe Bark-Deligny aus Frankreich einer Sprengfalle zum Opfer. Im Rahmen meiner Aufgaben fuhr ich mit meinem Kollegen in das Camp, wo Hauptmann Bark-Delignys Leichnam in einem Militärflugzeug aufbewahrt wurde.
Vor Ort führten wir die verschiedenen Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Tod des Offiziers durch. Mitten in der Nacht wurden die Verstorbenen im Konvoi zu einem Flugzeug transportiert, um Sie nach Kabul zu überführen. Alle Soldaten des Stützpunktes (alle Nationalitäten zusammen) sowie die afghanischen Soldaten der ANA haben diesen Konvoi mit den sterblichen Überresten der Helden begleitet. Jeder zündete ein Licht an, ein Feuerzeug, ein Handy oder was auch immer sie in den Händen hielten, um ihnen die letzte Ehre zu erweisen.
Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich in dem Fahrzeug, welches den Konvoi führte und ich kann Ihnen sagen, dieses Bild ist nicht spurlos an mir vorbeigegangen
Beide Soldaten vereinte der Tod und die tragischen Umstände. In diesen Momenten kam mir die Idee eines Mahnmals und nach meiner Rückkehr aus Afghanistan war diese Idee zu dem Wunsch gereift, ein NATO-Denkmal zu errichten, in Gedenken an die in den NATO-Einsätzen gefallenen Kameraden der Nationen.
Es waren sehr schmerzhafte Erfahrungen die Sie im Umgang mit Tod und Verwundung gemacht haben, wie ging es mit Umsetzung von statten?
Nach meiner Rückkehr nahm ich Kontakt mit zwei Verbänden auf, darunter die AECOPSD. Gemeinsam gründeten wir das Komitee für die Initiierung eines NATO-Gedenkplatzes. Die Gemeinde Frethun mit ihrer damaligen Bürgermeisterin Madame Catherine Fournier, der späteren Senatorin und leider verstorben, stellte sehr schnell und kostenlos ein Grundstück zur Verfügung. Das war die Geburtsstunde des NATO-Memorials.
Wir überführten das Memorial zurück an die Gemeinde Frethun, lösten das Gründungskomitee auf und es gründete sich die Fédération du Mémorial de l’Otan, der ich heute vorsitze. Am 25.02.2012 wurde das NATO-Memorial offiziell eingeweiht. Der NATO-Gedenkplatz in Frethun soll nicht nur der Erinnerung an die gefallenen Soldaten der NATO-Einsätze dienen. Er soll uns an die Pflicht erinnern, das Andenken an kommenden Generationen weiterzugeben und die Pflicht, innerhalb des europäischen Raums eine gemeinsame Gedenkkultur zu entwickeln.
Wie war die politische Resonanz für das Projekt, gab es große Hürden und Diskussionen?
Es gab überhaupt keine Probleme. Von vorne rein hatte ich die wichtige Unterstützung durch die damalige Bürgermeisterin Frau Catherine Fournier. Die Gemeinde Frethun mit ihrem heutigen Bürgermeister Herrn Guy Heddebeau unterstützen uns jederzeit und neben weiteren Gemeinden der Region haben sich mittlerweile auch das Departement Pas de Calais und die Region Hauts de France angeschlossen. Was die NATO betrifft, so hatte ich deren Zustimmung, Unterstützung und den Rat, dieses Denkmal zu errichten. Seitens der französischen Regierung wurde das NATO-Memorial 2018 offiziell anerkannt.
2019 wurde die Stele für die gefallenen Soldaten der Bundeswehr hinzugefügt. Ein großer Schritt in der Völkerverständigung, wie wurde sie angenommen?
Die deutsche Stele wurde sehr gut angenommen und die französischen Behörden begrüßten und unterstützten diesen Ansatz. Ich habe mich sehr gefreut, dass diese Stele das Licht der Welt erblicken durfte, es ist ein Zeichen der Freundschaft und Brüderlichkeit zwischen unseren beiden Ländern. Die Präsenz der deutschen Stele auf dem Gelände des NATO-Memorials macht mich sehr stolz. Wir begegnen unseren deutschen Kameraden regelmäßig im Rahmen von Auslandseinsätzen und arbeiten gemeinsam für den Frieden und für unsere Zukunft.
Nach einer durch Covid bedingten Zwangspause wurde 2021 zum 9. mal ein internationales Gedenken veranstaltet. Wie verlief die Veranstaltung und was berührte Sie besonders?
Am 11. September 2021 fand im Rahmen der „MEMORIAL DAYS“ (vom 03.09.2021 bis 12.09.2021) die neunte Gedenkfeier am NATO-Memorial statt. Das Gedenken besteht aus einer interreligiösen Zeremonie (Gebete für verstorbene Soldaten) und einer offiziellen Zeremonie. Letztere wurde durch die Kameraden Fernand Balzard und Frederic Vimes eröffnet. Mit der Genehmigung des Fürsten von Monaco starteten sie auf ihrer Solex vom Prinzen Palast in Monaco und durchquerten in mehreren Etappen ganz Frankreich, hoch bis in den Norden nach Frethun. Mit dieser besonderen Fahrt wollten sie den gefallenen Soldaten gedenken und für die Unterstützung der Kriegsversehrten und Hinterbliebenen werben. Am 11.09. kamen sie in Frethun am NATO-Gedenkplatz an und entzündeten jeder eine Kerze für die für die gefallenen Soldaten und Opfer der Anschläge auf das WTC und Pentagon. Während der Gedenkveranstaltung wurden die belgische und tschechische Stele sowie die Stele für die im Dienst verstorbenen Tiere enthüllt.
Was dieses Jahr besonders machte…
… war der Umstand, dass 2021 sich zum 20. Mal die Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon jährten. Diese Angriffe lösten die Intervention der NATO-Streitkräfte in Afghanistan aus, bei der viele Soldaten der alliierten Streitkräfte ihr Leben verloren. Während meiner Ansprache konnte ich nur schwer die Fassung halten und Tränen erstickten meine Stimme. Ich sah die Gesichter meiner in Afghanistan gefallenen Kameraden vor mir. Soldaten, deren sterblichen Überreste ich vor meiner Rückkehr nach Frankreich betreut habe.
Was sind Ihre Pläne und Wünsche für das NATO-Memorial in Frethun und die Gedenkkultur im Allgemeinen?
Andere Stelen werden unsererseits in Erwägung gezogen. Bei der Gedenkveranstaltung 2021 kamen bereits Interessierte auf mich zu. Ob weitere Stelen auf dem Gedenkplatz aufgestellt werden können, darüber entscheidet die Gemeinde in Frethun. 2022 haben wir ein Jubiläum. Am 10. September jährt sich das Gedenken in Frethun zum 10. Mal und wir möchten für unsere gefallenen Kameraden eine schöne Gedenkveranstaltung organisieren. Daran arbeiten wir bereits.
Für das Gedenken am NATO-Denkmal in Frethun wünsche ich mir eine größere Anerkennung im Ausland. Es ist sehr schade, dass die internationale Presse nur wenig über das NATO-Memorial und seine Stelen berichtet. Besonders die deutsche Presse habe ich vermisst, als die deutsche Stele errichtet wurde. Schließlich ist diese Stele ein starkes Zeichen, ähnlich wie der berühmte Händedruck vom Altkanzler Herrn Helmut Kohl und dem ehemaligen Französischen Präsident Herrn Francois Mitterrand.
Für das allgemeine Gedenken an unsere Gefallenen habe ich eine Vision. Weitere NATO-Gedenkstätten können errichtet werden, zumindest in den NATO-Mitgliedsstaaten. In den Einsatzgebieten dienen wir gemeinsam, werden gemeinsam verletzt und sterben gemeinsam. Für mich ist es wichtig, dass diese Freundschaft, Kameradschaft und Brüderlichkeit zwischen Kameraden in jedem Land durch ein Denkmal symbolisiert werden kann. Es geht darum, unseren Toten zu gedenken und damit diesen mir wichtigen internationalen Zusammenhalt zu zeigen, aber auch den Zusammenhalt für den Frieden, Frieden, für den unsere Soldaten sterben.
Als Privatperson konnte ich für meine im NATO-Einsatz gefallenen Kameraden aus den unterschiedlichen Nationen einen Gedenkplatz initiieren. Das Gedenken an die gefallenen Soldaten ist und war eine Herzensangelegenheit für mich und so flossen mittlerweile meine kompletten Altersrücklagen in dieses Projekt. Ich denke, die Regierungen der Länder sollten sich einen Ruck geben und ein internationales Gedenken errichten, denn für einen Staat mit einem Staatshaushalt sind die anfallenden Kosten dafür lächerlich gering.
Es sollte in Stein gemeißelt werden, dass Soldaten aus unterschiedlichen Nationen ihr Leben für die gemeinsame Sache gegeben haben.
Wir danken Herrn Willy Breton für das Interview und freuen uns schon darauf, in diesem Jahr wieder bei dieser bewegenden Veranstaltung Gast zu sein.
Deutsche Verbände, Organisationen, Presse und Medienvertreter wenden sich bei Interesse bitte an den deutschen Repräsentanten der Fédération du Mémorial de l’Otan, Herrn Christophe Böckling unter der E-Mail Adresse: nato-memorial-representative-Germany@web.de
Bildrechte obliegen der Federation du Memorial de l’Otan /Willy Breton
Vielen Dank an Veteranenkultur e.V. für das informative und sehr einfühlsame Interview mit Herrn Willy Breton, dem Gründer und Präsident des NATO-MEMORIAL
Ich bedanke mich auch an dieser Stelle, das Veteranenkultur e.V. sich dieses Thema und der Geschichte des Nato-Memorial angenommen und ebenfalls der Einladung der letzten Zeremonie beigewohnt haben.
Mit freundlichen Grüßen
Christophe Böckling
deutscher Repräsentant der FMO (Fédération Memorial l’Otan)