Anmerkung Veteranenkultur e.V.
Sinja Schillinger absolvierte ihre Masterarbeit zum o.g. Thema erfolgreich. Wer die kompl. Masterarbeit lesen möchte schicke bitte eine Email an: info@veteranenkultur.de, wir leiten die Anfrage an Sinja Schillinger weiter. Danke Sinja für dein Vertrauen und das wir dich ein Stück begleiten konnten.
Untersuchung psychosozialer Faktoren zur Prävention der PTBS
Dass das Erleben eines traumatischen Ereignisses im Auslandseinsatz eine Posttraumatische Belastungsstörung auslösen kann, ist unstrittig. Allerdings gehört die Wahrscheinlichkeit hierzu zum Berufsrisiko einer jeden Soldatin und eines jeden Soldaten. Viele erleben solche Situationen regelmäßig. Der Dienstherr kann auf diese Ereignisse vorbereiten. Jedoch kann er sie nicht ausschließen.
Da die Anzahl traumatisierter Soldatinnen und Soldaten weiterhin ansteigt, habe ich mich in meiner Masterarbeit im Fach Psychologie der Frage gewidmet, warum einige Soldatinnen und Soldaten eine solche PTBS (und ähnliche Störungsbilder) entwickeln und andere nicht.
Über Veteranenkultur e.V. und den Bund Deutscher Einsatzveteranen konnte ich im letzten Jahr Kontakt zu Veteraninnen und Veteranen aufnehmen und mich mit ihnen über dieses Thema unterhalten. Für Ihre und eure Offenheit bedanke ich mich herzlich!
Mich interessierte vor allem, wie die Rückkehr ins zivile Umfeld nach absolviertem Auslandseinsatz oder auch nach Beendigung der militärischen Laufbahn von jeder einzelnen, jedem einzelnen erlebt wurde. Welche Faktoren (sozialer und psychischer Natur) unterschieden sich in den Erzählungen? Wie wurde angebotene Unterstützung empfunden? Meine Arbeit sollte aus psychologischer Sicht Möglichkeiten finden, wie jede Zivilistin und jeder Zivilist zurückkehrende Soldatinnen und Soldaten unterstützen könnte.
In der Psychologie gibt es einige akzeptierte Entstehungsmodelle zur PTBS
Aus meiner Sicht treffen aber nicht alle dieser Erkenntnisse auf die Besonderheiten der Berufsidentität von Soldatinnen und Soldaten zu. In Gesprächen wurde immer wieder berichtet, dass sich Betroffene auch in ziviler Psychotherapie kaum verstanden fühlten. Hierzu gibt es bereits Erklärungen. Vor allem sehen sich Soldatinnen und Soldaten selbst nicht als Opfer, welchen Gewalt angetan wurde. Auf diese Interpretation stützen sich jedoch Therapieansätze für PTBS.
Zusammenfassung der Forschung: Meine Forschung ergab drei Kern- und Schlüsselkategorien, die vermuten lassen, dass die drohende Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung zur Verschlimmerung der Symptome beiträgt. Zudem beeinflusst der psychisch angesiedelte hohe Anspruch an die eigene Person dieser Gruppe, sowie ein Fremdheitsgefühl nach Rückkehr in den zivilen Kontext das Hilfeersuchen, sowie die Entstehung der Symptome. Basierend auf diesen Erkenntnissen konnte ein psychologisches Handlungsmodell entwickelt werden, das das von Maercker (2003) publizierte, bisher umfangreichste multifaktorielle Rahmenmodell zur Ätiologie von Traumafolgestörungen bestätigen, sowie erweitern konnte. Dieses konnte mit dem psychodynamischen Erklärungsansatz zur Entstehung von Belastungsstörungen von Horowitz (1998) verknüpft werden. Somit entstanden in Zukunft zu testende Hypothesen bezüglich psychosozialer Einflussfaktoren zur Entstehung der posttraumatischen Belastungsstörung bei der bisher in ziviler psychologischer Forschung unterrepräsentierten Gruppe der Soldatinnen und Soldaten.
Bedeutung für unsere Gesellschaft: Für das zivile Umfeld von zurückkehrenden Soldatinnen und Soldaten bedeutet das vor allem, dass viel mehr offene Gespräche stattfinden sollten. Beide Seiten scheinen einander schützen zu wollen und es entsteht eine Distanz, welche zu einem Gefühl von Einsamkeit wird.
Diese Erkenntnis stützt auch den Erfolg der Veteranenvereine. Im Rahmen meiner Masterarbeit durfte ich Veteranenkultur und den Bund Deutscher Einsatzveteranen kennenlernen. Hier darf ein kameradschaftlicher Austausch stattfinden, dabei hört es jedoch nicht auf. Hier schließt man sich zusammen und arbeitet am Sichtbarmachen der Schwierigkeiten, denen sich Einsatzveteraninnen und Einsatzveteranen gegenübersehen. Um Verständnis zu werben, beinhaltet aber auch die Notwendigkeit der Bereitschaft über das Erlebte zu sprechen. Das fällt nie leicht. Allerdings scheint es, als würden diejenigen, die zeitnah nach Dienstende eine neue Aufgabe antreten und in ihrem Umfeld offen über ihre Erfahrungen sprechen können, auch seltener eine PTBS entwickeln.
Das scheint recht logisch. Allerdings muss eine neue Aufgabe nicht der nächste Traumberuf sein. Das sollten wir uns noch viel bewusster machen.
Soldatinnen und Soldaten sind in der Regel pflichtbewusste, leistungswillige und zielstrebige Menschen. Diese Charaktereigenschaften werden durch militärische Strukturen weiter ausgebaut.
Der nach dem Austritt aus dem Militär empfundene Struktur- und Sinnverlust bestärkt das Gefühl nicht mehr leistungsfähig zu sein. In den von mir geführten Gesprächen war die drohende Dienstuntauglichkeit das schwerwiegendste Problem. Das Pflichtbewusstsein seine Kameraden zu unterstützen; einsatzfähig zu bleiben, führte vereinzelt auch dazu, dass notwendige psychologische Hilfe nicht aufgesucht und sogar aktiv umgangen wurde.
Erste PTBS Symptome sollten als Zeichen des Verarbeitungsprozesses des Erlebten gesehen werden. Damit ist nicht automatisch gegeben, dass jemand seinen Dienst nicht mehr verrichten kann. Diesbezüglich sollte sowohl der Dienstherr als auch Soldatinnen und Soldaten unter sich Vorsicht walten lassen. Stigmatisierung und Benachteiligung aufgrund psychischer Schwierigkeiten sorgen schnell dafür, dass sich eine psychische Störung entwickelt, die unter anderen Umständen möglicherweise gar nicht aufgetreten wäre.
Orientierungshilfe aus dem persönlichen Umfeld ist, so stellte sich heraus, sehr wichtig. Ob es unzureichende Betreuung durch den Berufsförderungsdienst der Bundeswehr ist oder das Gefühl nie wieder einen Beruf zu finden, der dem Soldatenberuf gleicht: aus dem Militär ausscheidende Soldatinnen und Soldaten berichten oft von Hoffnungslosigkeit, was ihre Zukunft angeht. Dabei herrscht in Deutschland aktuell ein Fachkräftemangel. Soldatinnen und Soldaten verfügen über Fähigkeiten, die zivile Angestellte nicht haben. Sie sollten also auf dem Arbeitsmarkt besonders gefragt sein. Zweifelsfrei bestehen in den Köpfen einstellender Führungskräfte vereinzelt gewisse Hürden. Das mögen persönliche Vorbehalte gegenüber Fachpersonal mit militärischem Hintergrund sein, oder Unwissenheit bezüglich der Fähigkeiten von Soldatinnen und Soldaten.
Ein wichtiger Faktor, auf den ich zuletzt eingehen möchte, ist Selbstwirksamkeit. Diejenigen, die aktiv daran arbeiteten sich zu erklären, das Erlebte zu kommunizieren, eine neue Aufgabe zu finden oder auch ihre PTBS Symptome zu bewältigen, beschrieben auch zufriedener mit ihrem neuen Leben zu sein.
Daher schreibe ich diesen Artikel mit dem Angebot zuzuhören. Jeder und jedem, die oder der erzählen möchte. Ich möchte mich auch beruflich dafür einsetzen, dass Sie und ihr Gehör findet. Sie und ihr habt einen besonderen Beruf ausgeübt, der für immer ein Teil von euch bleiben wird. Für Ihren und euren Dienst bin ich persönlich sehr dankbar.
Nutzt das Angebot der Veteranenvereine und helft mit, unsere Gesellschaft in diesen Belangen zu verändern. Für euch selbst und andere.
Sinja Schillinger, Berlin